Charly’s "Klöneck"
 
Walburgerstr. 38/40
Tel.: 02921/13440

Einen geschlagenen Tag lang, starr, trüb, tonlos und tief im Herbste des Jahres, war ich allein, unter dem bedrückend lastenden Wolkenhimmel, durch einen ungewöhnlich öden Strich Landes dahingelaufen und fand mich endlich, da die Schatten des Abends sich anschickten, heraufzuziehen, angesichts des unbegreiflichen Hauses Charly. Ich weiß nicht, wie es geschah, aber beim ersten flüchtigen Anblick des Baues beschlich ein Gefühl unleidlicher Düsternis meinen Geist.

Ich blickte auf die Szene vor mir und eine solche Verödung der Seele überkam mich, dass ich kein irdisch Gefühl passender damit vergleichen kann als den Traumrückstand des Opiumsüchtigen. Das bittere Abgleiten in Erbärmlichkeit und Schlichtheit - die scheulich schlimme Entschleierung.

Etwas fein eisiges stellte sich ein, vor dem das Herz sank und verelendete, eine durch nichts einzulösende Gedankentrübsal, die kein Anspornen der Phantasie zu etwas, dem Erhaben ähnlichen, zwingen konnte. Was war es nur - und verhielt grübelnder - was machte mich eigentlich so wehrlos nervös beim Betrachten dieses Hauses Charly.

Nichtsdestoweniger hatte ich mir vorgenommen, in eben diesem Hort der Finsternis für ein paar Stunden meinen Aufenthalt zu nehmen, um...

Ja, um wieder einmal die unglaubliche Absonderlichkeit menschlicher Geselligkeitsgreuel schonungslos vor Augen gehalten zu bekommen. Denn was der gute Herr Poe einst sah, dessen wurden wir aufs Schrecklichste gewahr!

Zuerst meinten wir, angesichts der eingeschworenen Gemeinde, die sich hier um den Zapfhahn gescharrt hatte, auf einem Laubenfest in Bochum-Langendreer oder Kallis Vierzigstem gelandet zu sein. Tumbe Tresentümmler, die in hemmungsloser Heiterkeit und bis zum Verlust der Muttersprache Alkoholika in sich hineinschütteten, ließen das noch kommende schon erahnen.

Stimmungsvoll aufgemischt wurde die gesellige Runde von einem drallen Weib um die Fünfzig, ihres Zeichens wohl die Stalinorgel unter den Stimmungskanonen, eine wahre Hohepriesterin des Frohsinns. Hatte sie anfangs die sturztrunkenen Herren bereits mit eindeutigen Zweideutigkeiten so richtig in Fahrt gebracht, begann sie jetzt zu unserem Entsetzen, ihren unbändigen Leib mit tanzähnlichen Bewegungen wellenartig erzittern zu lassen. Dabei kreisten ihre Brüste gefährlich durch den Raum und man hätte vorsorglich ihr Hinterteil mit der Warnung "Vorsicht! Heck schwenkt aus!" versehen sollen. Irgendwo im Raum hängt ein Plakat, das uns über die 13 Gründe aufklärt, warum ein Bier einer Frau vorzuziehen ist. Nun, einen kenne ich jetzt zumindest: ein Bier tanzt nicht wie ein ersaufendes Flusspferd und singt auch noch dazu ein Potpourri der schönsten Flipper-Hits.

Gute Laune und Übermut erreichten jetzt ihren ultimativen Höhepunkt. Eine Vatertagsfeier mit Rudi Völler und Harald Juhnke im Ballermann könnte nicht peinlicher sein und bei dem hemmungslosen Zurschaustellen triebhaftem Gebärens wähnte man sich eher am Affenfelsen von Gibraltar als in einer ganz normalen westfälischen "Pinte".

Nun war es auch nur noch eine Frage der Zeit, bis auch der zu Tode geängstigte Außenstehende in plumpvertraulicher Art in die Gespräche von Lothar, Siggi und Rita eingebunden wurde. Man muss es wohl als eine Art Ekeltrainings-Ritus verstehen, wenn man auf irgendeinen Witzbold trifft, der im 30 Sekunden Takt die ältesten Witze über "Birne" Kohl und Blondinen erzählt oder dir schmierige Genitalzoten ins Gesicht grölt. Der gutgläubige Leser dieses Buches mag immer noch glauben, dass das Los des Gastronomietesters nur mit Vorzügen und Annehmlichkeiten ausgestattet ist. Doch zum Teufel noch mal! Wisst ihr eigentlich, wie viel Nerven und Willenskraft es braucht, beim Anblick erwachsener Menschen, die nach der Live-Übertragung eines verlorenen Henry-Maske-Kampfes in Tränen ausbrechen, nicht in ewige geistige Umnachtung zu fallen oder lauthals lachend aus dem Lokal zu rennen!?

Ungläubiges Staunen lässt den Besucher regungslos im Raum verharren, wenn er sich in dieser kleinen Stammtischkneipe einmal umsieht. Unser Charly ist wohl Tierfreund. Er hat sich gleich Dutzende der possierlichen Freunde an die Wände gehängt, wobei der mächtige Keilerkopf über dem Eingang sein besonderer Stolz sein dürfte.

Bilder und Urkunden aus Kaisers Zeiten und dem 1000-jährigen Reich, Lampenschirme, bei denen man sich ernsthaft fragt, ob das wirklich nur Tierhäute sind, mit denen die Dinger bespannt wurden, fügen sich da so selbstverständlich in die rustikale Ausstattung ein, dass man meinen könnte, man säße in Charles Mansons Partykeller.

Nach etwas Essbarem sollte man besser nicht fragen, wenn man nicht Gefahr laufen möchte, Köstlichkeiten wie Bratkartoffeln mit Sülze oder "lecka" Frikadellen verschlingen zu müssen. Mit einem reichhaltigeren Angebot kann man leider nicht aufwarten, da die Küche aus Gründen, die sich nur erahnen lassen, geschlossen wurde, wie man uns zu verstehen gab.

So unangenehm auch die Atmosphäre ist, um so angenehmer sind zumindest die günstigen Bierpreise: denn wer fünf Pils bestellt, zahlt sage und schreibe nur ’nen "Heiermann".

Das Stammpublikum hat sich in "Charly’s Dröhneck" eine eigene Welt geschaffen, in der man unter sich ist und sich wohl fühlt, doch als Fremdling stößt man hier das Tor zu einer befremdenden und bizarren Welt auf, die fühl- und fassbar zu beschreiben selbst den fähigsten Rezensenten vor Unlösbares stellt.

Atmosphäre:  Unbeschreiblich!
Gäste: Unbegreiflich!
Musik: Unangenehm!
Einrichtung: Unfassbar!
Toilette: Unbenutzbar!
Preise:  Ungeheuerlich!
Bewertung:  -
 
zurück

Copyright © 2011 - Alle Rechte vorbehalten. | Impressum | Ihre Nachricht an uns