Deix | |
Na, bittschen, schaun’s, jetz hoams hier bei de Pifkes oach a bisserl Kultur. Mit dem Deix, einem Caféhaus im Wiener Stil, hat auch Soest endlich mal einen niveauvollen Anlaufpunkt mit Großstadtflair, der hier schon lange überfällig war. Mit äußerst geschmackssicherer und gemütlicher Raumausstattung, einer Mischung aus KuK-Palast (neu-östr.für Kaffee und Kuchen) und Offizierscasino in Belgisch-Kongo, hat man sich viel Mühe gegeben und das zahlt sich ob des regen Zuspruches offensichtlich aus. Es sind zwar nicht gerade Frau Geheimrat, die hier fesch und schneidig ’nausputzt dem Fiaker entsteigt, dafür aber - Küß’ die Hand, gnä’ Frau - die Gattinnen hier ansäßiger Wäscherei- und Drahtwerkbesitzer, die sich kokett aus dem 750i zwängen. Man nennt es wohl Ars Vivendi, für einen Nachmittag den trüben Alltag abzuschütteln, beim Blättern durch die "FAZ" den Heurigen zu genießen oder einfach die illustre Gästeschar auf sich wirken zu lassen. ’S Wolferl spielt auf, Handys rufen aus den Chiemseejacken aufstrebender Schuldnerberatungsklienten und salonfrisierte Pekinesen kläffen uns forsch aus brillantbesetzten Krokoledertaschen an, während zigarrerauchende Geldsäcke heroisch vom letzten Adventure-Tracking in Papua-Neuguinea erzählen. Ein altes "Miaterl", das eben noch bedrohlich keuchend durchs Lokal schlurfte, stellt die zum bersten gefüllten Kunstlederbeutel ab, lässt sich ächzend aufs Polster fallen und gönnt ihren Beinen bei einem Eierlikörchen etwas Ruhe. An der Bar lutscht ein gertenschlankes Haute-Couture-Püppchen frivol an ihrer Cocktailkirsche, was einige ältere Herren hastig zu ihren Kreislauftabletten greifen lässt. Tollende Bälger wieseln zwischen meinen Beinen umher oder starren mich minutenlang mit offenem Mund an, während sich am Nachbartisch zwei junge Herren mit blondierter Kurzhaarfrisur und hosenträgergehaltener, konturgeschnittener Jeans bei einem Glas Chardonnay immer tiefer und sinniger in die Augen schauen. Die Speisekarte hält für den Besucher allerhand Weaner Schmankerln bereit. Da verschwinden Obatzter, Sachertorte mit Schlagobers und so manches Glaserl Wein zwischen den Dritten der feinen Gesellschaft. Vergeblich suchen wird man allerdings nach so landestypischen Spezereien wie Nockerln oder Apfelstrudel, dafür dürfte aber das Angebot von Afri-Cola (schmeckt übrigens ein wenig wie die Kaugummis, die man unter Schulbänken findet) und Almdudler hier ein Novum sein. Der Versuch, einen Treffpunkt der heimischen Schickeria zu etablieren, scheint gelungen, denn alles, was gern Rang und Namen hätte, trifft sich hier zum Small Talk und hüllt sich dekadent in Havanna-Nebel. Befürchtungen des ordinären Alltagssklaven, er wirke in Jeans und Strickpulli zwischen Zobel und Schlangenleder deplaziert, bestätigen sich jedoch nicht. Gerade weil hier alle Stände und Altersgruppen vertreten sind, ist das Deix für jeden attraktiv, der einen entspannten Nachmittag in anregender Umgebung verbringen möchte. Auch wenn der Stadtpark kein Prater ist und Orson Welles nicht durch die Soester Kanalisation geistert, mit dem Deix hat hier ein bisschen Wiener Schmäh Einzug gehalten. Vergelt’s Gott
|
Copyright © 2011 - Alle Rechte vorbehalten. | Impressum | Ihre Nachricht an uns