Filmcafé im Burgtheater | ![]() |
Nur einen Bierdosenwurf vom Pesel entfernt findet man ein nicht minder bekanntes Schankhaus. Das Film-Café liegt mitten im Herzen des pulsierenden Soester Nachtlebens und ist jedem unbescholtenen Cineasten durchaus ein Begriff, ist es doch der einzige Weg in die dahinter gelegene Lichtspielhaus-Ruine zu gelangen. Wer schon immer glaubte, dass sich die Zappeljünger des "Flic-Flacs", "Chics" oder "Undergrounds" samstags vor dem Besuch dieser Stampftempel mit dem Einwachsen ihrer Golf GTIs oder dem Einbalsamieren ihrer Gesichter mit allerlei Kosmetika ihre Zeit vertreiben, sei eines Schlechteren belehrt. Kaum haben die unergründlichen Wasser des großen Teiches die Abendsonne verschluckt, schwärmen sie, wie Motten vom Neonlichte angezogen, ins Film-Café. Dabei bieten sie dem Betrachter einen erheblichen optischen Kontrast zum gegenüber herumlungernden Peselpublikum. Denn wenn sich die Scharen von Provinz-Rappern mit ihren vor Erregung quiekenden Ischen vor dem Eingang zu einem wilden Mob zusammenrotten und sich auf den Kühlerhauben ihrer davor geparkten Sciroccos oder Kadett GSIs in behäbiger, großkotziger Pose wälzen, kann man nur hoffen, dass die Stadtväter sich doch noch dazu durchringen, den Burgtheater-Komplex der Abrissbirne zu überlassen. Von oben genannten Szenerien abgeschreckt, mag man nur zögernd einen Blick in die Scheinwelt der beweglichen Bilder werfen, die übrigens an den verbleibenden Tagen der Woche mindestens so rege besucht ist wie der Trockenhaubenstand zur alljährlichen Allerheiligenkirmes. Das Schlimmste erwartet, das Gewöhnliche angetroffen! Die bunt zusammengewürfelte Gästeschar reicht vom unauffälligen Einzelhandelskaufmann, der eigentlich nur hier ist, weil seine Skatbrüder einen Fahrer brauchten, über albern gigsende 15-jährige Realschülerinnen, die ihr rauhfasergleiches Akne-Antlitz hinter bröckelnden Pharma-Fassaden verbergen, bis zum schrankgleichen Bundeswehrsoldaten, dessen kollossartige Figur an Szenen aus "Gorillas im Nebel" erinnert, wenn sie plötzlich vor einem aus dem Trockeneisdunst irgendeiner Diskotanzfläche bricht. Eins ist ihnen allerdings allen gemein. Zur unbedingten Etikette im Film-Café gehört das Tragen von in allen Spektralfarben leuchtenden Jeanshosen. Je greller und beleidigender für das Auge, desto unkomplizierter das Anbaggern der Kiezmiezen, deren Duftwässer die Luft schwängern. Ein Billardtisch, musikberieselte
Toiletten, das bunte Geflacker der MTV-Videos aus der Fernsehwand, dazu
seichter Normalo-Pop, der sich mühsam die Gehörgänge hochquält; all
dies macht den Aufenthalt zwar durchaus erträglich, allerdings gibt es in
der hiesigen Kneipenkultur wesentlich interessantere und erlebnisreichere
Schankstuben denn der hier beschriebenen und jeder, der schon einmal eine
Musiksendung auf TRT gesehen hat, weiß, was damit gemeint ist. Die
Betreiber mögen es uns verzeihen, aber ein Abend im Film-Café ist nicht
aufregender als eine Führung durch ein Museum für Holzschnitzkunst im
Erzgebirge. Doch schickt Euch an und seht selbst!
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