Café Schümer (1994)
 
Am Seel 7
Tel.: 02921/13506

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Auch für die Herrschaften im Herbst des Lebens bietet Soest Attraktionen, die einem den verdienten Lebensabend versüßen können. Eine in der einschlägigen Szene bekannte Ruhestätte ist das "Café Schümer", ein Lokal, das selbst dem allseits beliebten Onkel Franz aus der Lindenstraße Freudentränen entlocken würde, finden sich doch hier einige Kleinodien aus seinem Sperlingsruh wieder. Selbst der obligatorische Langhaarteckel, der zwischen den thrombosegepeinigten, stützbestrüpften Beinen älterer Damen herumschwänzelt, fehlt nicht. Tritt man spaßeshalber auf seinen Schwanz, vermischt sich sein spitzes Wehgejaule mit dem Prothesengerassel und mürben Gelächter des Szenepublikums.

In die faszinierende Welt der Kamelhaar-Rheumadecken und Stomata eingetaucht und auf einen der grün-rot bezogenen Küchenstühle, Marke "Rustika", niedergelassen, lauscht man gern den Dönekes von Köttkämpers Matta, Schenzers Jupp, Runten Lisbett oder Twittenhoffs Minna über deren Prostataleiden, Nierensteine, Zwölffingerdarmgeschwüre und Krampfadern. Wenn man schlecht zurechte ist, werden Adressen der fähigsten Fachärzte unter den Tischen getauscht wie Fußball-Sammelbilder.

Auf die Order der Kritiker nach einem Kaffee brachte uns der Mundschenk, der ein wenig an Freddy Frinton aus "Dinner for one" erinnerte,

ein übelschmeckendes, an eine Nordsee-Verklappung erinnerndes, schwarzes Gebräu, dessen Bohnen wohl gerade dem Frachtraum der "Santa Maria" entnommen wurden. Doch daran schienen die übrigen Gäste durchaus gewöhnt zu sein, bestellten doch einige einen Humpen Met wozu hausgemachte, thekengetrocknete Mettendchen gereicht wurden. Auch verschmähte man einen guten Tropfen nicht, vorzugsweise wurde wohl die "Alzheimer Spätlese" getrunken. Versuchte man allerdings, mit den Alten ein Gespräch zu führen, fühlte man sich an Transkommunikation erinnert.

Nun einige Zeilen zur Einrichtung: zuallererst zieht einen der ergreifende Seeblick auf den großen Teich, dessen entenurindurchsetzte, trübe Wasser dem gesamten Innenraum des Cafés das Flair des Gangesufers geben, in seinen Bann. Lässt man seine Blicke über den Resopal-Fußboden, der an die Physikräume in "Pepe, der Paukerschreck" erinnert und die anmutigen Ölgemälde, die volkstümliche Toitonenromantik verbreiten und über die Tische, deren Decken Geschichten aus längst vergangenen Tagen erzählen könnten, schweifen, erweckt das die Erinnerung an unbeschwerte Kindertage, die wir Sonntags bei unser Oma verbrachten und wo wir mit Pflaumenkuchen und Möpkenbrot verwöhnt wurden.

Insgesamt kann man jedoch sagen, dass dieses Lokal durchaus einen Besuch wert ist, auch wenn man nicht jenseits der Neunzig seinem Ende entgegensiecht, denn unterhaltsam ist der Aufenthalt allemal.

Atmosphäre: 

bunter Nachmittag im Altenstift

Gäste:

halten dem Besucher die Vergänglichkeit des Seins vor Augen

Musik:

beängstigende Klangkulisse durch die Rückkoppelungen der Hörhilfen und Keuchhustenanfälle

Einrichtung:

Gelsenkirchener Barock in Vollendung

Toilette:

Atmosphäre der Slums von Kalkutta, etwas laut durch Verdauungsstörungen der Gäste

Preise: 

Durchschnitt

Bewertung: 
 
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